Kurze Geschichte einer langen Ehe

Bis dass der Tod Euch scheidet. Religiös waren Marguerite und Victor nie, auch liessen sie einander viele Freiheiten, aber ihre Ehe dauerte tatsächlich 61 Jahre bis zum Tod Victors. Das Paar blieb kinderlos.

Wann und wo  sich Victor und Marguerite zum ersten Mal begegnet sind, haben sie nie verraten.  «Offiziell» war es im Frühling 1911. Beide sind Mitte zwanzig. Victor mietet zusammen mit seinem Berner Künstlerfreund Paul Zehnder ein Atelier im Pariser Montparnassse und taucht angelegentlich in der «Académie de la Grande Chaumière» auf, wo Maguerite zur Schule geht.

Der erste Weltkrieg bricht aus. Sie kehren zurück nach Bern, gründen eine gemeinsame Malschule und landen mitten in der Berner Kunstszene. Victor sitzt jeden Donnerstag in der legendären «Künstlerrunde» im Restaurant Harmonie zusammen mit Serge Brignoni und Max Fueter,  zwei Schülern der «Malschule Surbek-Frey», die mindestens so berühmt werden sollten wie ihre Lehrerin und ihr Lehrer.  Sie heiraten und beziehen an der Schwarztorstrasse eine Wohnung, in der ein Mini-Atelier Platz findet.

Nach ersten Verkäufen kann sich Victor ein grosses Atelier in der Berner Brunnmatt leisten. Das ist sein Reich, während Marguerite in der neuen Wohnung zuunterst an der Junkerngasse zuoberst im Kämmerlein malt. Zum Beispiel das Bild «Winterfenster mit Wachsblumen» mit Blick hinunter aufs Matte-Quartier und die Aare.

Winterfenster mit Wachsblumen, 1935. © Stiftung Schloss Spiez

So arbeiten die beiden Surbeks ihr Leben lang: räumlich getrennt, beide in ihrem eigenen Stil. Wie das gelingt, darüber reden sie öffentlich kaum. Dass ihr Mann mehr Erfolg hat und seine Werke  «schneller» vollendet, darunter leidet Marguerite.  Sie braucht Zeit, bis sie Farben zum Leuchten bringt. Auf Distanz gehen die beiden bei Ausstellungen. Eine Doppel-Ausstellung haben sie stets abgelehnt: «Sonst hätte sich das Publikum doch nur fürs Private interessiert», so Victor. «Und als man endlich künstlerisch zusammenspannte, musste es gleich für 200 Meter sein» sagte Marguerite zu einem Reporter der « Schweizer Illustrierte Zeitung ». Gemeint war die «Verkehrsschlaufe» in einer Halle an der Landesausstellung 1939 in Zürich (Landi).

Verkehrshalle, Landesausstellung 1939 in Zürich.


Lehrer Paul Klee, Vorbild Ferdinand Hodler

«Ich will singen», merkt Marguerite im Alter von sieben. Das Mädchen eines Försters zügelt mit ihrer Familie aus dem Jura in die Stadt Bern und darf an die Kunstgewerbeschule. Bei ihrem Klavierlehrer Hans Klee trifft sie dessen Sohn Paul. «Il s´intéresse à moi.». Zwei Jahre lang kommt Paul Klee alle zwei Wochen in ihre Mansarde, erteilt ihr Malunterricht und empfiehlt: «Ihr müsst nach Paris». Weg vom Expressionisten Paul Klee, hin zu Impressionisten Lucien Simon oder Édouard Vuillard, zwei der Lehrer an der Académie La Grande Chaumière, die von der Schweizer Malerin Martha Stettler gegründet wurde.

Marguerite Frey-Surbek: Hans Klee am Klavier. 1910. © Stiftung Schloss Spiez

«Ich will Maler werden», teilt Victor nach der Matur seinem Vater brieflich mit. Victor Surbek Senior, Direktor des Inselspitals in Bern, fährt nach Genf und legt Zeichnungen seines Juniors dem Fachmann jener Zeit vor. «Den dürfen Sie ruhig malen lassen», brummt Ferdinand Hodler. Der junge Victor studiert in München an der Kunstgewerbeschule. Zurück in Bern startet er bei Ernst Linck, einem Hodler-Jünger, der sich bei der «Gruppe Bernischer Künstler » engagiert. Für eine ihrer Ausstellungen schafft der 20-jährige V. Surbek das Plakat.

Wem eifert Victor mit diesem Erstling nach?

Ferdinand Hodler hat acht  Jahre zuvor «Anbetung» in Öl gemalt.

Victor Surbek: Plakat, 1905
Ferdinand Hodler: Anbetung, 1893/1894, Kunsthaus Zürich, Gottfried Keller-Stiftung. BAK Bern